Auf den Spuren unserer Geschichte
Die Anlu Bibliothek ist seit 2022 ein Ort, der junge Menschen in Douala, Kamerun empowert und dazu anregt sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Die Bibliothek, stellt afrikanische und afro-diasporische Literatur sowie Schulbücher bereit. Das Projekt „Auf den Spuren unserer Geschichte: Ein interaktives Rechercheprojekt in der Anlu-Bibliothek“ macht sich mit Kindern und Jugendlichen auf biographische Spurensuche: Kulturelle und historische Aspekte des eigenen Kiezs, der eigenen Stadt und des Landes werden anhand der eigenen Familienbiographie, kamerunischer Literatur und Filmen unter die Lupe genommen. Die Teilnehmer*innen beschäftigen sich dabei mit der Geschichte und Gegenwart und überlegen wie sie die Zukunft ihres Kiezes, ihrer Stadt und ihres Landes gestalten möchten.
Zum Projektstart organisierte das Team in Douala eine Reihe von Workshops und Begegnungen sowie einen ersten Filmanbend. Der kurze Dokumentarfilm „Formé.e.e pour chômer“ wurde als erster Film vergange Woche in Oyack gezeigt.
Der Film porträtiert, wie das Bildungssystem in Kamerun junge Menschen ausbildet, für deren Expertise und Abschlüsse es kaum Arbeitsplätze gibt. Gleichzeitig wird auch aufgezeigt, dass viele Studiengänge und Ausbildungen kein Wissen vermitteln, was in den dafür vorgesehenden Arbeitsbereichen in Kamerun anwendbar ist. Wesentlich dafür sei die Tatsache, dass das Bildungssystem in Kamerun seit der Kolonialzeit nie reformiert wurde. Der Journalist Rémy Nsabimana macht dies anhand mehrerer Beispiele deutlich: Obwohl es im Gesundheitswesen Kameruns einen extremen Mangel an Ärzt:innen gibt, hat sich die Anzahl der Studienplätze für Mediziner:innen seit der Unabhängigkeit kaum verändert. Gleichzeitig existiert eine sehr hohe Zahl an Studienplätzen in Fächern, für die es wenig bis keine Arbeitsplätze gibt, wie zum Beispiel in der Germanistik. Daher lautet die Forderung der im Film interviewten Expert:innen: das Bildungssystem zu dekolonialisieren.
Unter den 35 Zuschauer:innen in Oyack, vor allem unter den Jugendlichen, gab es danach mehrere Wortmeldungen. Viele beklagten, dass sie in ihrem beruflichen Werdegang nur wenig Beratung erhalten würden. Weder die Eltern noch die Lehrer:innen in der Schule würden bei der Ausbildungswahl unterstützend eingreifen. Daraus resultiere eine Orientierungslosigkeit und Unsicherheit, die viele am Ende in den informellen Sektor treiben würde. Einige anwesenden Eltern äußerten sich darauf frustiert über das Schulsystem, dass doch ihren Kindern Orientierung geben solle und sie aber stattdessen disorientieren würde.
Neben dem Filamabend organisierte ICP ein Treffen für Eltern, deren Kinder die Anlu-Bibliothek besuchen, um darüber zu diskutieren, wie sie ihre Kinder im Schulsystem unterstützen können. Außerdem traf sich Hilaire Djoko mit einer Kollegin in Yaounde Nzinga Kimpa Vita Koudjou -„la ministré de la décolonisation“ – , die seit 2021 Workshops und Lesezirkel zu afrikanischer Literatur anbietet. Bei diesem Treffen tauschten sie sich über die Rolle der Bibliothek bei der Förderung des kulturellen Erbes und der Bildung aus. Die Ministerin zeigte großes Interesse an den Projekten der Bibliothek und betonte die Wichtigkeit, die kolonialen Spuren in der Geschichte Kameruns zu bewältigen und die lokale Kultur zu stärken.
2025 gefördert durch die Stiftung Nord-Süd-Brücken mit finanzieller Unterstützung des BMZ: